Mythos der rationalen Entscheidung
Autor: Andreas Dragosits
Verlag: FQL Publishing
Umfang: 120 Seiten
Kurzinformation zum Buch - Der Autor
Andreas Dragosits ist seit 30 Jahren als Manager und Geschäftsführer sowie seit 2014 als selbstständiger Unternehmer tätig. Er unterstützt Führungskräfte dabei, ihr Potential auszuschöpfen und ihre Ziele zu erreichen.
In seinem Buch wird der faszinierende Zusammenhang zwischen Intuition und Rationalität untersucht. Dragosits stellt die Frage, ob unsere beruflichen Entscheidungen oft die besten sind, insbesondere in unsicheren und dynamischen Situationen, die den unternehmerischen Alltag prägen. Zudem erklärt er, wie intuitives Wissen mit rational-analytischem Denken kombiniert werden kann, um kluge Entscheidungen zu treffen.
Dieses Buch ist ein unverzichtbarer Leitfaden für Unternehmer, Führungskräfte und alle, die die neuronalen Prozesse hinter ihren Entscheidungen besser verstehen möchten.
Leseprobe aus "Mythos der rationalen Entscheidung"
4. Intuition
4.1 Der Intuitionsbegriff in Theorie und Praxis
Die Definition von Intuition ist nicht trivial, da sie in verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen wie Psychologie, Philosophie, Ökonomie und Neurowissenschaften unterschiedlich betrachtet wird. Umgangssprachlich wird Intuition oft mit dem “Bauchgefühl” gleichgesetzt. Diese Bezeichnung ist jedoch irreführend, da sie der Komplexität des Phänomens nicht gerecht wird. Der Begriff “Bauchgefühl” suggeriert, dass Organe wie unser Bauch oder Herz beteiligt sind, obwohl in Wirklichkeit unser Gehirn die zentrale Rolle spielt. Dass unser Körperempfinden durchaus eine Rolle spielt, hat insbesondere Antonio Damasio mit seinem Konzept der „somatischen Marker“ wissenschaftlich untersucht. Es besagt, dass emotionale Prozesse, die im Körper als körperliche Reaktionen (somatische Marker) verankert sind, unbewusst unsere Entscheidungsfindung beeinflussen. Die Marker helfen, schnelle intuitive Entscheidungen zu treffen, indem sie vergangene emotionale Erfahrungen als Leitfaden für aktuelle Entscheidungen verwenden.
Weiters legt der Begriff „Gefühl“ nahe, dass es sich bei Intuition um reine Emotionen handelt. Emotionen spielen zwar eine nicht unwesentliche, aber doch nicht übermäßige Rolle bei Intuitionen. Diese Assoziationen zum Begriff „Bauchgefühl“ führen insbesondere im unternehmerischen Kontext vielfach dazu, dass intuitive Entscheidungen als weniger valide oder wissenschaftlich fundiert angesehen werden als rational-analytische Entscheidungsprozesse.
Aus neurowissenschaftlicher Sicht handelt es sich bei Intuition um eine Art der Informationsverarbeitung, die weitgehend unbewusst, assoziativ, schnell und kontextabhängig ist. Im Wesentlichen ist Intuition damit eine Wissensquelle, die sich von einer eher logischen, analytischen oder rationalen Art des Denkens unterscheidet. Dabei sind komplexe Prozesse in unserem Gehirn am Werk, die auf umfangreichen Erfahrungen und implizitem Wissen basieren ohne jedoch auf unseren bewussten, rationalen Verstand zuzugreifen. Wissenschaftliche Studien zeigen, dass Intuition vielmehr auf (schneller) unbewusster Mustererkennung und der Verarbeitung großer Informationsmengen beruht, die im Laufe der Zeit durch wiederholte Erfahrungen (langsam) erworben wurden. Diese Art des Wissens wird oft schnell und automatisch abgerufen, ohne dass die zugrunde liegenden Prozesse dem Bewusstsein vollständig zugänglich sind.
Die wesentlichen Merkmale der Intuition sind:
- Unbewusst: Intuition basiert auf unbewussten Prozessen.
- Mustererkennung: Das Gehirn erkennt und verarbeitet schnell Muster in Informationen.
- Gefühle: Emotionen spielen eine unterstützende Rolle bei der Intuition.
- Erfahrung: Intuition baut auf Erfahrungen und implizitem Wissen auf.
4.1.1 Intuitionen sind unbewusst
Unbewusste Prozesse sind jene, die außerhalb unseres bewussten Denkens ablaufen. Während beim bewussten Denken immer kortikale Hirnregionen (insbesondere unser Arbeitsgedächtnis) involviert sind, spielen bei unbewusst ablaufenden Prozessen subkortikale Gehirnstrukturen, insbesondere Teile des limbischen Systems, eine entscheidende Rolle. Unser Vorbewusstsein beinhaltet alles, was wir bisher erlebt haben, ohne dass wir uns daran bewusst erinnern können. Es ist somit einer Introspektion kaum zugänglich. Das Potenzial zur (unbewussten) Verarbeitung komplexer Informationen zur Problemlösung ist weit größer, als es unserem bewussten Denken mithilfe des Arbeitsgedächtnisses je möglich wäre. Unsere Intuition ist demnach ein Gefühl des Wissens, ohne zu wissen, warum wir etwas wissen.
4.1.2 Intuitionen basieren auf Mustererkennung
Mustererkennung beschreibt die Fähigkeit, komplexe Informationen schnell zu verarbeiten und daraus bedeutungsvolle Muster abzuleiten. Diese Fähigkeit wird besonders in Situationen wichtig, in denen Entscheidungen unter Unsicherheit und Zeitdruck getroffen werden müssen. Dabei erkennt und verarbeitet das Gehirn (u.a. die Basalganglien) unbewusst Muster, indem bekannte Strukturen schnell identifiziert und daraus Schlussfolgerungen gezogen werden, ohne auf bewusste analytische Prozesse angewiesen zu sein. Heuristiken, also mentale Abkürzungen, spielen eine entscheidende Rolle bei der Mustererkennung. Intuitive Entscheidungsfindung wird jedenfalls durch jahrelange Praxis und die Entwicklung eines umfangreichen mentalen Repertoires an Mustern unterstützt. Mustererkennung ist allerdings nicht nur eine Domäne von Experten, sondern spielt auch in alltäglichen Entscheidungsprozessen eine zentrale Rolle.
4.1.3 Gefühle als Teil unserer Intuition
Gefühle umfassen Affekte und Emotionen. Unsere Basisemotionen sind nach Ansicht vieler Wissenschaftler, allen voran des Psychologen Paul Ekman, angeboren. Emotionen wirken sich primär körperlich aus und sollen uns zu bestimmten Verhalten veranlassen. Es handelt sich bei Emotionen um subkortikale Prozesse des limbischen Systems, welches aus vielen Zentren mit unterschiedlichen Funktionen besteht. Durch emotionale Konditionierung bildet sich ein reichhaltiges, emotionales Erfahrungsgedächtnis, welches jede unserer Handlungen schnell und unbewusst nach „gut“ oder „schlecht“ bewertet. Da sich dieses emotionale Erfahrungsgedächtnis auf alle unseren bisherigen Erfahrungen stützen kann, sind Emotionen als Teil unserer Intuition keineswegs etwas Irrationales.
4.1.4 Erfahrungswissen
Erfahrungswissen wird auch als implizites oder prozedurales Wissen im Gegensatz zu explizitem Wissen bezeichnet und beinhaltet folgende wesentliche Merkmale:
- Langsam durch Wiederholung erworben
- Automatisch, unbewusst abrufbar
- Mustererkennung: assoziativ und gesamtheitlich
Erfahrungswissen umfasst Kenntnisse und Fähigkeiten, die durch wiederholte Erfahrungen (langsam) erworben werden. Im Zuge von Wiederholungen sinken die Inhalte ins Unbewusste ab und verdichten sich über die Zeit immer mehr zu implizitem Wissen. Je stärker bisherige Erfahrungen in unserem Gedächtnis konsolidiert sind, desto wahrscheinlicher werden sie im Bedarfsfall aktiviert. Diese Aktivierung des Wissens passiert schnell und ohne bewusste Anstrengung. Die überwiegende Mehrzahl unserer alltäglichen Entscheidungen - manche Neurowissenschaftler gehen dabei von über 90% aus - sind solcherart getroffene, unbewusste intuitive Entscheidungen.
Erfahrungswissen im unternehmerischen Kontext kann als Expertenwissen bezeichnet werden. Experten haben gelernt, bei Entscheidungssituationen die irrelevanten Teile an Information zu ignorieren und sich voll auf die entscheidenden Informationsanteile zu konzentrieren.
Kahneman spricht in Zusammenhang mit Expertenwissen von „richtigen Intuitionen“ oder „Experten-Intuitionen“ und unterscheidet diese von simplen Urteilsheuristiken.
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