Tot im Tor

Autor: Alexander Haide
Verlag: echomedia Buchverlag
Umfang: 208 Seiten

Kurzinformation zum Buch

Mörderisches Foul auf dem grünen Rasen

Mysteriöser Tod im Tor: Der Fußballmanager Johann Bäringer wird erhängt aufgefunden. Jahrelang führte er den Provinzverein SV Aschach aus der Bedeutungslosigkeit bis in die zweite Fußballliga – unter Einsatz seines Vermögens, des Glücks seiner Familie und seines Lebens. Angespornt von lokalen Politikern und einem deutschen Wirtschaftsboss, riskiert er alles. Profispieler werden für den Dorfverein verpflichtet, sogar ein Stadion entsteht dort, wo früher auf einer Kuhweide gekickt wurde. Spurensuche – wer trägt Schuld am Tod des umtriebigen Managers? Angelehnt an die wirtschaftlichen Praktiken und an reale Ereignisse im österreichischen Fußball, bietet die Krimihandlung einen aufschlussreichen Blick hinter die Kulissen des Profifußballs.

Leseprobe aus »Tot im Tor«

Kapitel 16

Der frisch gebackene Obmann der Aschacher Musikkapelle 
ahnte nicht im Geringsten, was auf ihn zukommen würde. Großmundig hatte er unter dem Eindruck einiger Gspritzter und des Höhenflugs beim Trachtenhutaufsetzen fest versprochen, eine würdige Feier zum Vereinsgründungsjubiläum auszurichten. Es konnte doch kein Problem sein, den ältlichen Verein, der gerade einmal über die vollständig Besetzung aller unbedingt nötigen Instrumente verfügte, in eineinhalb Jahren auf Kurs zu bringen. Gewachst und poliert, so hatte Hans im Dunst des Bierwirts ein Zukunftsbild der Marschmusik gezeichnet, werde man stolz über den Hauptplatz paradieren, mitreißende Weisen schmettern und bis in die Nacht bei einem großen Fest aufspielen. Jetzt, als er allein in seinem unausgebauten Hobbykeller saß, dessen Einrichtung aus einem alten Schreibtisch samt Sessel 
bestand, und über den spärlichen Unterlagen des Vereins brütete, sah die Welt ganz anders aus. Die Musikkapelle hatte keinen festen Platz zum Proben. Wollte man üben, waren die Musiker vom guten Willen des Hausmeisters im Gemeindeamt abhängig, der frei über den Festsaal disponieren konnte. Die Anzahl der aktiven Mitglieder war in den vergangenen Jahren auf unter dreißig gesunken, was eine Existenzgefahr darstellte: Gäbe es eine Grippewelle und es fielen mehr als fünf Musikanten aus, könnten sie nicht nachbesetzt werden.

Viel schwerer wog der Umstand, dass wenige Mitglieder auch geringe Mitgliedsbeiträge bedeuten, von denen sowieso die Hälfte zum Teil seit Jahren ausständig war. Niemand hatte Anstrengungen unternommen, diese einzutreiben. Mit einem Wort: Die Kapelle war so gut wie pleite! Einzig die Instrumente, 
die sich zum Teil im Eigentum des Vereins befanden, aber den Musikanten zum ständigen Gebrauch überlassen wurden, und die Trachten, für die die Mitglieder selbst zuständig waren, 
befanden sich in einwandfreiem Zustand. Im Gesamten eine triste Situation – das war nicht zu leugnen.

Nicht zu leugnen war die Verzweiflung, die Hans schleichend erfasste, denn er hatte nicht den Anflug einer Ahnung, wie die Musikkapelle zu retten wäre. Lange dachte er nach, wie Touristen Geld springen lassen könnten, wie man sie involvieren könnte, wie … doch zum Schluss stand nur die unumstößliche Erkenntnis, dass jene Mechanismen, mit denen er den Armbrustschützenverein wieder auf die Beine gebracht hatte, hier nicht funktionierten. „Pudel fragen?“, dachte Hans, doch schon allein vor dem Gedanken ekelte ihm. Es war eine bittere 
Pille, die die einheimischen Armbrustschützen hatten schlucken müssen. Nachdem Pudels Ideen zur Umgestaltung aufgegangen waren, hatte er auf der Ernennung zum Ehrenpräsidenten bestanden und klar gemacht, dass er sonst nie wieder gewillt wäre, etwas im Interesse Aschachs zu tun. Natürlich verwendete Pudel diesen Anlass liebend gerne dazu, wieder einmal auf seine unzähligen Kontakte und Ämter daheim, in Deutschland, hinzuweisen und darauf, dass es nicht klug wäre, es sich mit ihm zu verscherzen. Nein, so einen wollte er nicht um Rat fragen. Hans hatte eine andere Idee …

Kapitel 17

Nachbar Berger musste wohl gemerkt haben, dass Hans etwas ganz anderes im Kopf hatte, als die Konzentration auf das Einsetzen von Büschen und Sträuchern an der gemeinsamen Grundstücksgrenze. So sehr es ihn von der Kapellen-Krise 
abgelenkt hatte, gemeinsam mit Sophie und Katharina zu einer großen Gärtnerei zu fahren und in unterschiedlichsten Farben blühende Gewächse auszusuchen, so rasch holte ihn das akute 
Problem des Vereinsgründungsjubiläums wieder ein. Da er äußerst unlustig in der Erde stocherte, ging die Arbeit kaum merklich voran. „Na, Nachbar, druckt di wos?“, rief Joachim Berger beiläufig von Weitem über den Rasen. Berger rechnete wohl nicht ernsthaft mit einer Antwort und schon gar nicht 
damit, dass das der Beginn einer langen Reihe von Gesprächen war, die in einer verhängnisvollen Freundschaft enden sollte. Ohne viel nachzudenken, schüttete ihm Hans sein Herz aus. „Weißt, ich hab mir gedacht, es wär doch gelacht, wenn ich das mit der Kapelle nicht genauso zusammenbring wie das mit den Schützen. Aber ich hab koa Idee, wo des viele Geld herkommen sollt“, raunzte er. Berger legte seine hohe Stirn in Falten, ignorierte das fordernde Geschrei seines Sohnes Max, der ihn zum gemeinsamen Spiel aufforderte, holte Luft und legte vor seiner Antwort eine bedeutungsschwangere Pause ein. „Na, da müssen halt Sponsoren her“, schleuderte er Hans den Problemlösungsansatz entgegen, „i bin sicher, dass unser Werk dabei ist, wenn’s ums Kapellenjubiläum geht. Aber ans musst ma versprechen. Wenn i des für di tua, muaß i a wos davon haben. Irgendwann.“ Der ernste Teil des Gesprächs war damit erledigt und Hans war erstaunt, wie nur ein Satz den schweren Stein von seinem Herzen gewälzt hatte. So einfach war die Lösung! Wenn das Baustoffwerk dabei war, würden auch andere Firmen das große Musikfest mit dicken Schecks unterstützen.

Berger und Hans unterhielten sich noch länger an der Grundstücksgrenze. Über den Hausbau, über die Kinder, die in einem ähnlichen Alter waren und die gleiche Schule besuchten. Irgendwie kamen sie auf das Thema Fischen. Hans verbrachte, als er zehn Jahre alt war, viel Zeit an den Bächen, Flüssen und kleinen Seen in der Umgebung, um gemeinsam mit Freunden aus dem Dorf mit selbst gebastelten Angelruten kleine Fische zu fangen. Was als Bubenbeschäftigung begann, wurde ernsthafter, als er von einem Onkel seine erste richtige Angelrute geschenkt bekam. Mit einer Rolle, auf der dutzende Meter durchsichtige Angelschnur aufgewickelt waren, dazu einen Kescher, mit dem man gefangene Fische aus dem Wasser holen konnte, und eine kleine Schachtel mit allerlei Zubehör, von Haken unterschiedlicher Größe bis zu Karabinern und Schwimmern. Allerdings hatte das wilde Fischen als Spiel damit ein Ende, denn es wäre Wilderei gewesen, mit einer derart guten  Ausrüstung ohne eine Erlaubnis zu angeln. Murrend hatte sein Vater ins Familienbörsel gegriffen und ihm eine Fischereilizenz für die Gewässer rund um Aschach besorgt. Hans belohnte das, indem er seine neue Liebhaberei ernsthaft betrieb, seine Ausrüstung unter Verwendung seines geringen Lehrlingsgehalts bei der Bank ständig 
erweiterte und bald die ersten Fische mit nach Hause brachte, die seine Mutter sorgfältig und schmackhaft zubereitete.

„Du, da geh ma einmal gemeinsam, vielleicht darwischen wir ja was“, verabschiedete sich Berger voll Freude. Auch Hans war zufrieden. Nun war er zuversichtlich, dass sich das Problem mit dem Musikfest garantiert lösen ließe. Zudem hatte er sein oberflächliches Verhältnis zum mächtigen Joachim Berger ein wenig vertieft, ja, vielleicht würde es sogar freundschaftlich werden. Das kann nicht schaden, dachte er, und freute sich darauf, bald mit seinem neu gewonnenen Bekannten am Ufer des Teichs 
unweit ihrer Häuser zu sitzen und ihre Beziehung zu vertiefen.

Kapitel 18

Die Angelruten geschultert und die Ködertaschen umgehängt, machten sich Hans und Joachim in den kommenden Wochen häufig auf, um die Wochenendvormittage beim gemeinsamen Fischen zu verbringen. Das Thema, das den Anstoß zur neuen Freundschaft gegeben hatte, war allerdings nur beim ersten Angelausflug bestimmend. Während die wurmbehangenen Haken unter Wasser auf Beute lauerten, war die Problematik um die finanziell triste Situation der Musikkapelle, deren Obmann Hans seit Kurzem war, schnell abgehandelt. Joachim hatte noch einmal unterstrichen, dass er der festen Meinung war, die Angelegenheit sei ausschließlich durch die Akquisition von zahlungskräftigen Sponsoren zu lösen, die sich aus den mittelgroßen und großen Betrieben in der Umgebung Aschachs rekrutieren sollten. Klar, dass Berger dabei Hans noch einmal versicherte, dass das Baustoffwerk seinen Teil beitragen würde. „Frag zuerst gleich deinen Chef, den Eder, der soll was aus der Bankkassa locker machen“, riet er ihm, „und sog eam, dass i mit dabei bin, gell. Dann wird er scho mitmachen.“ Das leuchtete Hans ein, denn Bankdirektor Eder war ein netter, umgänglicher Mensch, auch wenn er im beruflichen Umgang streng sein konnte. Die restliche Zeit des gemeinsamen Fischens wurde von Privatem und Unwichtigem dominiert. Erst beim zweiten Fischausflug führte ihn Berger tiefer in die Geheimnisse der Seilschaften und Machtverhältnisse im Ort ein, die dem naiven und gutgläubigen Hans eine völlig neue Sichtweise eröffneten.

An jenem Morgen verabredeten Hans und Berger, sich direkt beim Fischwasser zu treffen, da Joachim in der Früh einen 
beruflichen Weg hatte. Hans freute sich, als Joachim endlich auftauchte und zeigte ihm stolz eine kleine Schleie, die gerade groß genug war, um sie zu behalten. „Da schaff ma heute no was Größeres!“, war sich Berger sicher, als er seinen Klappstuhl aufstellte und die Angelrute in die dafür vorgesehenen, zurechtgeschnittenen Astgabeln legte, die im Kies des Uferbodens steckten. „Schau, Hans, das Dorf ist wia a Fischteich“, erklärte Joachim mit leiser Stimme, um die Beute nicht zu verscheuchen, „die meisten san Karpfen, Schlei, Rotaug’n … und mia san die Raubfisch.“ Berger war heute der mächtige Manager der Baustofffabrik am Rande Aschachs. Viele hatten vor ihm, beziehungsweise dem, was er erreicht hatte, Respekt, die meisten fürchteten sich allerdings vor dem Eigenbrötler. Fast alle Aschacher hatten einen Angehörigen, der direkt oder indirekt von seinem Wohlwollen abhängig war. Zudem konnten ihn die Dorfbewohner nicht einschätzen. Joachim Berger war kaum ins gesellschaftliche Leben eingebunden, und wollte das gar nicht. Seine freie Zeit verbrachte er daheim, mit seiner Familie, oder seinem mächtigen deutschen Freund, Theobald Pudel, mit dem er ebenfalls Ausflüge an die Fischwasser der Umgebung unternahm. Beim Goldwirt, dem Nabel des Dorflebens, sah man ihn so gut wie nie. Nur selten lud ihn Pudel, der wiederholt unterstrich, welch ein wichtiger und enger Freund Berger geworden war, zu jenen rauschenden Festen in kitschigem, pseudorustikalem Rahmen ein, die er regelmäßig für deutsche Freunde und Geschäftspartner veranstaltete. Joachim dachte sich seinen Teil. Vermutlich war er nicht fein oder doch nicht wichtig genug, um die hohen Begleiter Pudels kennenzulernen. Oder eine Einladung war dem als geizig bekannten Deutschen schlicht zu teuer.

„Die Fisch dürfen aber niemals wissen, dass wir Räuber hinter ihnen her san“, mahnte Berger und formulierte seinen Leitsatz äußerst einfach, „wenn ma s’ brauchen, dann scheuchen wir sie herum und vor uns her. Und wenn’s grad keiner ahnt, zack, 
haben wir ihn scho gfressen!“ Mit einem Mal wurde Hans klar, dass Berger zwar sein Freund war, aber dennoch unberechenbar bleiben würde. Ginge es um seine eigene Haut, da war sich Hans sicher, würde Joachim im wahrsten Sinne des Wortes über Leichen gehen. Obwohl: Berger war kein brutaler Typ, nein, darauf deutete nichts hin. Aber irgendwo, davon war Hans überzeugt, schlummerte Böses in ihm, das er auf keinen Fall näher kennenlernen wollte.

„Woaßt, das is auch der Grund, wieso mi des Dorfgschaft’ln net interessiert“, führte Joachim weiter aus, „i woaß jo nie, woran i wirklich bin. Wollen s’ was von mir, oder san s’ nur freundlich, weil sie’s sich net verscherzen wollen. Oiso interessieren mi die Gsichter erst gar net. Du bist von an anderen Schlag, du g’hörst zu uns!“ Hans strahlte innerlich, als Berger ihn auf eine Stufe mit sich emporhob. Endlich einer, der seine Talente und zu entwickelnden Macherfähigkeiten erkannte und förderte. Anders konnte Hans die immer häufiger werdenden Treffen mit Joachim nicht deuten. In gleichem Maße wie die mit Berger verbrachte Zeit stetig mehr wurde, vernachlässigte er seine alten Freunde und Bekannten. Peter hatte er seit einigen Monaten völlig aus den Augen verloren, was umso schwerer wog, da er kurz darauf bei einem Autounfall ums Leben kam. Das stürzte Aschach in tiefe Trauer. Als einziger Sohn des Goldwirts war der junge Mann schon als kleiner Bub durch die Gaststube und die Beine der Gäste gewuselt und damit allen Einwohnern bestens bekannt gewesen.

Eines Tages war es endlich so weit. Lange Wochen hatte Hans gewartet, dass Joachim ihn mit Theobald Pudel bekannt machen würde. Vom Sehen und dem kurzen Austausch von Höflichkeiten einmal abgesehen, hatte er mit dem Deutschen noch nie näher zu tun gehabt. Immer passte irgendetwas nicht. „Woaßt, das soll ja was bringen und die Kuh muss schon gut drauf sein, wennst sie melken willst!“, so vertröstete ihn Berger wieder und wieder. Am Vorabend unterrichtete ihn Joachim kurzfristig von dem Treffen und mahnte eindringlich: „Aber bitte, pass auf, was du sagst. Wenn da was schiefgeht, häng ich auch mit drinnen. Und ich brauch den Pudel noch!“ Hans ging spät und unruhig zu Bett und fand in seinem traumlosen Schlaf kaum Erholung. Angestachelt von der Aussicht auf die Ereignisse, die da kommen würden, war er bereits früh am Morgen wach. Ob die Aufgewühltheit von der freudigen Erwartungshaltung herrührte oder einem unbestimmten Gefühl der Furcht vor Berger und dem mächtigen Pudel, wusste Hans nicht.

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